Wunscherfüllung und die Magie des Lebens

„Im Allgemeinen wollen Menschen in der Außenwelt Erfolg haben… Das Universum hingegen interessiert unser äußerer Erfolg nicht; es zielt darauf ab, unsere inneren Kräfte zu stärken… Das erklärt, warum die Widrigkeiten nicht aufhören, obwohl wir uns vorwärtsbewegen. Widerstand ist das Einzige, wodurch das Universum unsere inneren Kräfte stärken kann.“ (Phil Stutz und Barry Michels)

Glücksgefühle entstehen oft durch die Erfüllung von Wünschen. Glückserlebnisse, die mit Wunscherfüllung verbunden sind, sind meist nur kurz, und wenn ein Wunsch erfüllt ist, ist bald schon der nächste da. Glücksgefühle jedoch, die entstehen, weil man etwas Schwieriges bewältigt hat, halten länger an.

Wir leben in einer Zeit, in der alles leicht sein soll und in der möglichst alle Wünsche erfüllt und alle Bedürfnisse befriedigt werden sollen. Doch dabei vergisst man eines: Das Erreichen von Zielen und das Erfüllen von Wünschen macht nicht dauerhaft glücklich. Überhaupt ist das dauerhafte Glück eine Illusion. Diese Illusion wird durch unzählige Bücher genährt, die uns lehren, welche Haltung wir einnehmen sollen, damit unsere Wünsche in Erfüllung gehen können. Und wenn sie trotz dieser Methoden nicht in Erfüllung gehen, dann, so heißt es, hätten wir etwas falsch gemacht, vor allem hätten wir nicht stark genug geglaubt. Das hat etwas mit magischem Denken zu tun.

Dass eine optimistische Einstellung für das Erreichen von Zielen förderlicher ist als eine pessimistische, ist ganz klar. Und es steht auch außer Frage, dass lange gehegte Wünsche, auf die man sich fokussiert hat und vor allem, die einen zum entsprechenden Handeln veranlasst haben, tatsächlich eher in Erfüllung gehen können.

Doch was steckt eigentlich hinter diesem Streben, dass alles, was wir uns wünschen, in Erfüllung gehen soll? Oder dass alles, was wir weghaben wollen, also uns wegwünschen, aus dem Leben verschwinden soll?

In dem Film „Quantum Activist“ legt der indische Quantenphysiker Amit Goswami u. a. seine Sichtweise über diese Wunschmagie dar. Der auf Deutsch synchronisierte Film spricht vor allem über Bewusstsein und die Einheit allen Seins, und er lehrt, ganz in der Tradition der (indischen) Mystik, die für ihn von der Quantenphysik bestätigt wird, dass das ganze Universum von Bewusstsein durchdrungen ist. Demnach existierte zunächst nur das Bewusstsein, und daraus entstand die Materie, Materie ist eine sichtbare Form des Bewusstseins, des Geistes. Und trotzdem sagt er, dass den Wunscherfüllungsmethoden der Feinsinn für das Wesen des Bewusstseins fehle. Was meint er damit? Zunächst bringt er das Beispiel, dass man sich einen Sportwagen wünscht und ihn visualisiert. (Solche Visualisierungen lehren z. B. Selbsthilfebücher wie „The Secret“. Bücher dieser Art sind tatsächlich sehr auf das Materielle ausgerichtet.) Diese Methoden lehren ja, dass man die eigene Realität erschaffen kann, indem man sie sich zunächst vorstellt. Du stellst dir intensiv und über einen langen Zeitraum vor, dass ein Porsche in deiner Garage steht, und eines Tages steht er auch dort, so wird es dem Leser versprochen.

Amit Goswami sagt dazu: Stell dir vor, alle Menschen auf der Welt wünschen sich einen solchen Sportwagen mittels magischer Gedanken herbei; niemals kann auch nur ein Teil der Menschheit so viele Sportwagen besitzen. Wenn ich mir das so sehr für mich wünsche, ohne dass ich etwas dafür tue und anderswo Verzicht leiste, schließe ich den Rest der Menschheit aus. Das Ego hat sich an die Spitze gestellt. Da die Sache mit dem Porsche in der Garage trotz Beteuerungen dieser Buchautoren nicht funktionieren kann, wurde man bescheidener: Man möchte, wenn man mit seinem Auto in die Stadt fährt, lediglich einen Parkplatz, und man bittet das Universum, dass man einen Parkplatz bekommt. Wieder schließt man dabei die anderen aus, denn auch andere Autofahrer möchten einen Parkplatz bekommen. Würden wir Gott oder das Universum bitten, dass alle Autofahrer, die jetzt gerade unterwegs sind und einen Parkplatz suchen, auch einen finden, dann wäre das kein ego-verstärkender Wunsch, bei dem ich das Gute nur für mich will, sondern weil ich aus einem Geist der Verbundenheit heraus etwas wünsche, kann der Wunsch sogar eher in Erfüllung gehen.

Goswami bleibt, um diese Zusammenhänge zu erklären, weiter bei den Beispielen aus dem Straßenverkehr, was nicht abwegig ist, denn man kann sagen: So wie man Auto fährt, so fährt man durchs Leben (oder so wie man geht, so geht man durchs Leben). Ein weiteres seiner Beispiele bezieht sich also wieder auf den Verkehr: Wünsche ich mir, dass alle Ampeln auf meiner Wegstrecke immer dann grün sind, wenn ich mich ihnen nähere, dann habe ich nur mein Ego im Fokus. Denn auch die Autofahrer, die aus anderen Richtungen kommen, hätten lieber grüne als rote Ampeln. Ich wünsche mir dabei also etwas nicht aus dem Geist des Einsseins und der Verbundenheit heraus, sondern aus dem Geist des Getrenntseins. Der Geist des Getrenntseins sagt: Ich brauche dies und jenes, und was du brauchst, ist mir egal. Der Geist des Einsseins sagt: Ich bin verbunden mit allen; ich möchte das, was für alle gut ist. Alle Ampeln können nicht auf Grün stehen, und ich muss nicht vom Universum bevorzugt behandelt werden.

Das Gebot „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ gründet auf dem Einheitsbewusstsein: Ich trenne mich nicht von anderen, indem ich andere schlechter behandle als mich und auch nicht, indem ich mich selbst schlechter als andere behandle. Denn auch Letzteres bedeutet, dass ich mich als von den anderen Menschen getrennt empfinde.

Wenn man der aus den USA stammenden Methode der Reality Creation, der Erschaffung der eigenen Realität folgt, dann sollte man bedenken: Wenn ich das Oberhaupt meiner Realität sein will, was passiert, wenn alle so denken? Wenn alle die Herrscher ihrer Realität wären, wer würde dann noch bei der Müllabfuhr arbeiten wollen? Was als spirituell verkauft wird, wie z. B. diese Wunscherfüllungsmagie, ist oft das Gegenteil von Spiritualität. Wirklich spirituell ist der Abbau des Egos, wirklich spirituell ist das Handeln, das alle im Blick hat aus einem Bewusstsein der Verbundenheit heraus.

Wenn wir uns aus dem Einheits-Bewusstsein heraus etwas wünschen, erfüllt es sich viel eher. Goswami sagt, wenn wir z. B. einen kranken Freund schnell ins Krankenhaus fahren müssen, dass dann tatsächlich oft auf scheinbar magische Weise alle Ampeln auf Grün stehen, denn hier wollen wir etwas nicht für uns selbst, sondern wir sind in Verbundenheit mit einem anderen Menschen. Das ist ein kleines Beispiel dafür, dass es tatsächlich eine Art Magie der Wunscherfüllung gibt, wenn wir in einem Einheitsbewusstsein sind. Die Ego-Wünsche werden oft nicht erfüllt. Ego-Wünsche, die wir natürlich alle haben, werden nicht durch magische Methoden erfüllt, sondern starke Wünsche werden am ehesten erfüllt, wenn wir die entsprechende eigene Energie aufwenden. Viele unserer Wünsche sind fragwürdig, aber das merken wir meist erst hinterher, nämlich dann, wenn sie erfüllt worden sind und uns doch nicht so glücklich gemacht haben wie wir angenommen hatten oder aber dieses Glücksgefühl unerwarteterweise sehr flüchtig ist.

Kürzlich erhielt ich eine Mail einer esoterischen Bewegung, in der ein junger Mann, der sich Pablo nannte, schreibt, er hätte dank des Wunschtrainings eines gewissen Pierre Frankh seine Traumfrau, seinen Traumjob und sein Traumhaus in Italien gefunden, außerdem wäre sein Leben jetzt nur noch Glück und Freude. Natürlich ist das gelogen, und diesen Pablo gibt es wahrscheinlich gar nicht, aber selbst wenn das alles stimmen würde – wie lange wäre dieser Schüler des Wunschtrainers und Buchautoren Pierre Frankh glücklich? Solche Versprechungen verführen unzählige Menschen. Es kann so nicht funktionieren, denn etwas Wesentliches wird übersehen: In unserer Schöpfung dominiert das Gesetz der Polarität, es ist stärker als das Gesetz der Resonanz. Was heißt das?

All diese Heilsversprechen berufen sich auf das Gesetz der Resonanz, das bedeutet: Gleiches zieht Gleiches an, wie innen so außen. Dieses Gesetz ist keine Phantasterei. Es gibt z. B. so etwas wie die sich selbst erfüllende Prophezeiung, d.h. das, was wir erwarten, sei es etwas Positives oder Negatives, kann deshalb eher eintreten, weil wir es erwarten. Aber wenn man sich das eigene Leben als perfekt vorstellt und selbst wenn diese Wünsche nach dem traumhaften Leben irgendwann tatsächlich in Erfüllung gingen, es könnte nicht lange so bleiben, weil das Gesetz der Polarität stärker ist, und dieses Gesetz besagt: Im Leben muss es Positives und Negatives geben, deshalb wechseln sich Freude und Leid immer ab.

Wollen wir das Negative aus unserem Leben verbannen, kommt es durch die Hintertür herein, vielleicht in Form von Depressionen oder Panikattacken. Man kann nicht seelisch gesund sein oder bleiben, wenn man die eine Seite des Lebens ausblenden will. Man kann nicht seelisch gesund sein, wenn das Ego derart überhandnimmt, dass man die vollkommene Regie über das eigene Leben führen will. – Marie von Ebner-Eschenbach sagte, dass unsere Wünsche dann in Erfüllung gehen, wenn uns an ihrer Erfüllung nichts mehr liegt. Warum? Weil wir uns losgelassen haben. Ein Spruch von Rabbi Akiba, der im 1. Jahrhundert n. Chr. lebte, sagt es mit anderen Worten: „Das, wonach du jagst, bekommst du nicht, aber das, was du werden lässt, das fliegt dir zu.“ Wenn ein Wunsch gar zu heftig ist, dann liegt viel Ego darin, und wir verkrampfen uns. Erst wenn wir lockerlassen, kann sich der Wunsch erfüllen. Das ist eine Art Magie, die Magie des Lebens. Nicht unsere kleinen und manchmal dicken Egos sind die Magier, sondern das Leben selbst, nämlich dann, wenn wir mit etwas Größerem als unserem kleinen Ich in Verbindung treten.

Tatsächlich geschehen im Leben ja oft unerklärliche Dinge, wie z. B., dass wir genau das bekommen, das wir gerade brauchen. Ich habe letztes Jahr bei einer meiner Ausstellungen Brunhilde Schierl kennengelernt, die den Jakobsweg von Flensburg bis Konstanz zu Fuß, ohne Geld, Kreditkarte und Handy gemacht hat. Sie hat darüber ein Buch geschrieben. Ich habe das Buch nicht gelesen, aber sie hat mir ein wenig von diesem Abenteuer erzählt. Auf ihrem Rucksack und ihrem T-Shirt standen die Worte „Gottvertrauen stärkt“. Und ihr Vertrauen wurde bestätigt: Jeden Tag bekam sie genug zu essen und immer einen Platz zum Schlafen. Außerdem kam es zu interessanten Begegnungen.

Wie konnte das passieren? Diese Frau war angebunden an eine höhere Wirklichkeit, die sie Gott nennt. Sie hat keine modernen Visualisierungs-methoden angewandt, sie hat keinen Teller voll Essen und kein Bett imaginiert, sondern sie hat einen absoluten Glauben an diese höhere Kraft. Das ist so ganz anders, als wenn man versucht, den Eigenwillen als Magie zur Erreichung seiner Ziele einzusetzen, weshalb ich z. B. das Beten für sinnvoller halte als magische Praktiken, und zwar deshalb, weil man durch Beten in Verbindung tritt. Dabei ist es gleichgültig, ob man zu Gott, zu Christus, zu Krishna oder einer namenlosen höheren Kraft betet, entscheidend ist das Angebundensein und dass man sich selber nicht als Macher oder Macherin versteht.

Das große Problem heute ist, dass der Glaube an eine höhere Macht abnimmt und deshalb die Gefahr besteht, dass man sich selbst an die erste Stelle setzt und Allmachtsgedanken hegt. Für mich gibt es keine Zweifel, dass Gott existiert, aber nehmen wir einmal an, es gäbe keinen Gott. Dann wäre allein der Glaube an Ihn eine phantastische Idee, die einem hilft zu leben und sich geborgen zu fühlen. Oda Jaune, eine bulgarische Malerin und Witwe des berühmten Malers Jörg Immendorf, sagte in einem Interview, dass sie sich für Gott genau deshalb so sehr interessierte, weil der Glaube an ihn im damaligen Bulgarien verboten war. Sie sagte: „Sollte ich nach dem Tod feststellen, dass Gott nicht existiert, würde ich trotzdem unendlich dankbar sein, im Leben an ihn geglaubt zu haben.“

Wer nicht an Gott glaubt, kann dem Leben vertrauen, nämlich, dass das Leben einem genau das bringt, was man wirklich benötigt, und dass es einem das versagt, was man eben, manchmal aus unerfindlichen Gründen, nicht im Leben haben soll. Das Leben sorgt für Magie. Doch wenn man es genau nimmt, enthält der Glauben an „das Leben“, das es gut mit einem meint, doch auch den Glauben an die Sinnhaftigkeit und Zielgerichtetheit des Lebens. Manche nennen es auch Universum, und die große Frage, die Albert Einstein stellte, war: „Ist das Universum freundlich?“ Er hat diese Frage bejaht. Ein freundliches, gütiges Universum, eine intelligente und zielgerichtete Natur ist nur ein anderes Wort für Gott. Wenn wir dies so betrachten, nimmt unser Größenwahn, dass wir die Schöpfer unserer Realität sind, ab.

„Das, was du werden lässt, das fliegt dir zu“, sagte Rabbi Akiba. Das, was du wirklich brauchst, fliegt dir also zu, es fällt dir zu, es geschehen rätselhafte Zufälle. Wir alle haben das schon auf vielfältige Weise erlebt, sei es durch überraschende Begegnungen, durch ein Buch, das wir genau zum richtigen Zeitpunkt gefunden haben, durch einen Satz, den wir hören und der uns weiterbringt. Die Magie des Lebens hat durchaus mit unserem Denken, Wollen und Handeln zu tun und mehr noch mit unserem Unbewussten, doch sie lässt sich nicht manipulieren, und sie hat noch eine Eigenheit an sich: Die Magie des Lebens kommt ungeplant und überraschend.